Anhalter Bahnhof: Sommer vorm BE

Zeitung Heute – Tagesspiegel

13.06.2013

Foyer im ersten Stock des Berliner Ensembles. Zwei Bänke mit Samtbezug. Auf der einen liegt Claus Peymann. Auf der anderen Rolf Hochhuth. Zwischen ihnen geht nervös der Schauspieler Martin Wuttke hin und her. Vor ein paar Tagen hat Hochhuth dem Theater gekündigt, fristlos. Peymann soll ausziehen, so will es der Dramatiker, der über eine Stiftung Eigentümer der berühmten Immobilie ist. – Ein Dramolett von Andreas Schäfer.

Wuttke: Mediator! Schnapsidee! Als ob ich nicht genug zu tun hätte. Also, wir haben uns hier versammelt, in diesem wunderbaren Theater, um …

Peymann: Ja! Nein! Niemals! Kichert in sich hinein: Mehr Peitsche als Zuckerbrot. Mein Erfolgsgeheimnis seit Jahrzehnten. Obwohl – ihm fällt mit Schrecken seine Arbeit als Regisseur ein – was heißt Erfolg? Ich bin gescheitert. Von wegen Reißzahn im Regierungsviertel! Es ist, als würde ich ins Nichts hinein inszenieren. Ohne Rolf wär’ ich längst vergessen. Er schaut hinüber. Da, wo eben noch Rolf Hochhuth lag, befindet sich eine riesige dunkle Grollwolke, aus der nur die Spitze einer grünen Krawatte heraushängt.

Hochhuth, unter seiner Tarnkappe: Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Superglückspilz heiß. Ich bin drin! Vorbei an der Pförtnerin. Ich bin in meinem Theater! Und neben mir Peymann. Ich habe ihn in die Knie gezwungen! Na ja, auf die Bank. Haha! Schnüffelt, um den Duft seines Theaters zu genießen, doch da fällt es im wieder ein, der Streit ums Haus und alles, was Peymann zu ihm gesagt hat: Amokläufer. Selbstvernichter. Seniler alter Knacker. Brüllt: Ich lehne jeden Kompromiss ab. Absolut! Diesmal reichts! Aber aus der Wolke dringt kein Wort.

Peymann: Rolf? Alles in Ordnung?

Wuttke, steht am Fenster, schaut auf die Spree: Was habe ich in dieser Muppetshow verloren? Gruselig. Wie die Zeit vergeht. Eben noch der große Gangster Arturo Ui, und schon steigt man als müder Kommissar Knitterich aus einem „Tatort“-Mercedes. Plötzlich hört er hinter sich ein seltsames Rauschen, aber er dreht sich nicht um. Das kennt er schon. Es ist Brechts Geist, der wie eine Taube kurz durchs Foyer flattert. Dann hört er einen beängstigenden Rumms. Er schnellt herum und sieht zwei ältere Herren auf dem heiligen Boden des BE. Sie liegen sich in den Armen.

Peymann: Mensch Rolf!

Hochhuth: Ach Claus.

Peymann: Was waren wir wieder gut! Spitze!

Hochhuth: Spielen wir weiter?

Peymann: Immer.

Hochhuth: Aber diesmal habe ich das letzte Wort.